Wie digital ist Deutschland?
Wie steht es um die Digitalität und die Digitalen Kompetenzen der Deutschen und wie reagieren sie auf den Digitalen Wandel?
Diesen Fragen geht der D21-Digital-Index 2019/2020 nach und zeichnet auf einer Skala von Null bis Hundert den Digitalisierungsgrad der deutschen Gesellschaft in einem jährlichen Lagebericht auf. Der Index stützt sich auf die vier Säulen, die Subindizes Zugang, Kompetenz, Offenheit und Nutzungsverhalten: Zunächst werden mit Zugang und Kompetenz das „können“ festgestellt; damit sind sowohl technische Voraussetzungen als auch individuelle Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Geräten gemeint. Kompetenz ist die wichtigste Voraussetzung für den Digitalisierungsgrad und wird somit am stärksten gewichtet. Weniger stark wird die Einstellung gegenüber digitalen Medien, die sogenannte Offenheit, gewertet, sowie das Nutzer:innenverhalten bei digitalen Anwendungen; beide spiegeln das „Wollen“ wieder.
Der Index wird ständig um neue Komponenten erweitert. So haben im vergangenen Jahr auch Wearables und digitale Sprachassistenten Eingang in die Befragung gefunden. Somit zeigt der Index auch an, inwieweit die Deutschen mit der Dynamik der weltweiten digitalen Entwicklung mithalten. Das Ergebnis zeigt, dass der Digitalisierungsgrad der Deutschen bei 58 Punkten liegt und damit 3 Punkte höher als im Vorjahr. Bei den Subindizes Zugang und Nutzungsverhalten konnte eine besonders positive Entwicklung festgestellt werden, was auf eine bessere technische Ausrüstung der Nutzer:innen zurückgeführt werden kann. Doch auch Kompetenz und Offenheit stiegen an.
Digital Literacy bezieht sich auf die Kompetenz im Umgang mit digitalen Systemen und Medien.
Digital Literacy beschreibt, wie flexibel oder souverän Nutzer:innen mit digitalen Anwendungen umgehen können. Der englische Begriff bedeutet wortwörtlich „digitale Lese- und Schreibfähigkeit“ und ist im Deutschen als Digitale Kompetenz, Digitale Medienkompetenz oder auch Informationskompetenz bekannt. Dazu zählt die Fähigkeit, digitale Plattformen und Medien zu nutzen, um Informationen zu beschaffen, zu bewerten und zusammenzustellen. Digital Literacy bezieht sich zudem auf den Grad der Aufklärung der Person zu den Mechanismen und Algorithmen hinter Plattformen (etwa nutzerbasierte Werbung). Im weiteren Sinne wird der Digitalen Kompetenz auch das Allgemeinwissen zu digitalen Themen und Begriffen zugeordnet. Die digitalen Kompetenzen einer Person können mitunter dadurch festgestellt werden, wie gut sie anderen digitale Technologien und Medien erklären können.
Auffällig ist, dass sowohl das Alter als auch die Bildung und Berufstätigkeit eine wichtige Rolle bei der digitalen Aufklärung spielen.
Am stärksten ausgeprägt sind die digitalen Kompetenzen bei den 14 bis 29-Jährigen, gefolgt von Berufstätigen, die aufgrund ihrer Arbeit regelmäßig mit digitalen Systemen in Berührung kommen. Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und ältere Menschen hingegen verfügen nur über geringe Digitale Kompetenzen. So ist das Bewusstsein zwar gestiegen, dass kostenlose Apps mit dem Zugriff auf gesammelte Daten „bezahlt“ werden. Für Senior:innen und für Personen mit niedriger Bildung bleibt diese Thematik laut D21 Digital-Index jedoch weiterhin kaum relevant. Auch die Akzeptanz von nutzerbasierter Werbung ist gestiegen; insbesondere die unter 30-jährigen gehen auffällig locker mit der Verwendung ihrer persönlichen Daten um. Es zeigt sich weiter, dass der souveräne Umgang mit Anfeindungen in sozialen Netzwerken, das Erkennen von Fake-News und die Nutzung mehrerer Quellen bei Recherchen im Netz immer weniger als Problem empfunden wird. Beim Aneignen von digitalen Kompetenzen setzen der Befragten 76% auf informelles Lernen und Ausprobieren (engl.: learning by doing), oder Tipps von Freund:innen und Verwandten, während 22% formales Lernen durch Schulungen und Weiterbildungsangebote bevorzugten.
Was digitale Anwendungen betrifft, so werden die Deutschen immer sicherer.
82% der Befragten in der Lage, Suchmaschinen zu nutzen, um Informationen zu suchen. 71% betreiben Online-Shopping und 70% kommunizieren über Instant-Messaging Dienste wie WhatsApp, Telegram, Threema, oder Signal. 60% können mit gängigen Office-Programmen umgehen; jede/r Dritte gibt an, anderen bei Problemen helfen zu können. 58% nutzen digitale Dienstleistungen wie Reiseportale oder Lieferdienste. 55% nutzen Online-Banking Anwendungen. 44% verwenden Online-Streaming Dienste und 43% spielen über den Computer, das Smartphone oder die Konsole Videospiele. 41% der Deutschen sind in der Lage über Google Docs oder Microsoft OneDrive mit anderen zusammenzuarbeiten und 36% nutzen regelmäßig digitale Lernangebote. Das Schlusslicht bilden die Nutzung von Sprachsteuerung und Sprachassistenten (22%) und Smart-Home-Anwendungen (15%). Während Smartphone-Kompetenzen zunehmend stärker ausgeprägt sind, haben viele beim Umgang mit Computern noch Aufholbedarf. Zwar können knapp zwei Drittel der Befragten klassische Computerprogramme verwenden. Jedoch beherrschen nur 13% eine Programmiersprache.
Die Mehrheit der Deutschen tut sich noch schwer mit Fachbegriffen aus der digitalen Welt.
Ein genaueres Hinterfragen zeigt zudem, dass das Verständnis der Bedeutung technologischer Begriffe noch recht oberflächlich ist. Viele Schlagwörter sind den Deutschen zwar ein Begriff, aber bei vielen fehlt noch das umfassende Wissen, diese Technologien auch erklären zu können. Sie können dem öffentlichen Diskurs — etwa bei Technologien im Arbeitsumfeld, Finanz- und Gesundheitsbereich, oder bei häuslichen Anwendungen — noch nicht uneingeschränkt folgen. Nur etwa die Hälfte traut sich zu, gängige Begriffe wie Cloud, künstliche Intelligenz oder Algorithmus zu erklären und maximal die Hälfte davon liegt mit der Erklärung richtig. Besonders spannend ist auch die Schlussfolgerung des D21-Berichts zu digitalen Kompetenzen im Arbeitsumfeld. Wie so oft gilt auch hier: „je (digital) kompetenter die Befragten sind, desto eher sehen sie den Bedarf, ihr Wissen zusätzlich zu erweitern“. Diese Erkenntnis dürfte jeder Expertin und jedem Experten vertraut sein.
Die Mehrheit der Deutschen möchte ihre digitalen Kompetenzen ausbauen.
Die Ergebnisse des D21-Digital-Index lassen darauf schließen, dass die Deutschen ihren Nachholbedarf erkannt haben und durchaus offen sind für digitale Neuerungen; immerhin zwei Drittel wünschen sich, dass bereits in der Schule ein Grundstein an digitalem Wissen gelegt wird. Fast die Hälfte der Deutschen plant, ihr digitales Wissen zu erweitern und stolze 76% möchten das Internet nicht mehr missen.
Wie also steht es um den Digitalisierungsgrad der Gesellschaft in Deutschland?
Laut dem D21-Digital-Index lassen sich die Deutschen grob in drei Gruppen einteilen.
Demnach gehören 18% der Befragten zu den Digital Abgehängten, einer Gruppe die sich zu 14% aus Offliner:innen ohne Internetzugang und zu 4% aus Minimal-Onliner:innen zusammensetzt, die zwar einen Internetzugang haben, in der digitalen Welt aber weitgehend orientierungslos sind. 38% der Befragten zählt der Index zu den Digital Mithaltenden; davon sind 30% Konservative Gelegenheitsnutzer:innen und 8% Vorsichtige Pragmatiker:innen. Erstere nutzen das Netz hauptsächlich zur Informationssuche und zum Online-Shopping, während letztere durchaus Geräte- und Plattformen verwenden und offen sind für Neues, aber auch von einer gewissen Vorsicht und Unsicherheit geprägt sind. Erstmals seit der Erhebung bildet die Gruppe der Digitalen Vorreiter:innen, die sich durch ein junges Durchschnittsalter (35–43 Jahre) und überdurchschnittlich umfangreiche Gerätenutzung auszeichnen, die größte Gruppe mit 44%. Das entspricht einem Anstieg von 7% seit dem Vorjahr. Allerdings ist dieser Begriff mit Vorsicht zu genießen, denn zwischen den Untergruppen liegen gravierende Unterschiede hinsichtlich der Offenheit und dem Nutzungsverhalten, aber auch in Bezug auf die Digitalen Kompetenzen: Die Reflektierten Profis (27%), die das Internet relativ sicher zu nutzen wissen, aber nicht bei jedem Trend mitmachen. Progressive Anwender:innen (12%) weisen bereits hohe digitale Kompetenzen auf, kommen aber nicht an die Technik-Enthusiast:innen (5%) heran, die rund neun Stunden am Tag -auch aus beruflichen Gründen- im Internet sind und die nahezu jedem neuen Trend folgen.
Die digitale Gesellschaft in Deutschland, eigene Darstellung in Anlehnung an D21 (2019/2020)
Dies ist ein Ausschnitt aus meinem neuen Buch “Bank 4.0”