Digitale Hygiene: So können Sie Ihre eigene Datenspur im Netz nachvollziehen und reduzieren

Kim Y. Mühl
7 min readJan 13, 2021

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Wissen Sie, welche Daten Unternehmen über Sie gesammelt haben?

In der modernen Informationsgesellschaft hinterlassen wir heute Datenspuren im Netz die sehr viel mehr über uns aussagen, als viele von Ihnen möglicherweise vermuten. Durch eine Reihe relativ einfacher Maßnahmen lässt sich der Datenbestand, den Unternehmen über Sie sammeln, zwar kaum völlig vermeiden, jedoch immerhin deutlich reduzieren. In diesem Beitrag erkläre ich Ihnen, wie Sie herausfinden können, was Unternehmen über Sie gesammelt haben und wie Sie die Preisgabe Ihrer Daten kontrollieren und reduzieren können.

Durch Big Data und Datenanalyseprogramme, die Unternehmen meist in der Cloud betreiben, speichern viele Firmen weit mehr Daten über uns, als wir bewusst angegeben haben. Dies musste auch die Journalistin Judith Duportail feststellen. Sie hatte sich auf der Online-Dating Plattform Tinder registriert und den Dienst vier Jahre lang genutzt. Als sie danach eine Auskunft zu ihren personenbezogenen Daten anforderte, bekam sie ganze 800 Seiten Daten ausgehändigt, die das Unternehmen über sie gespeichert hatte. Neben den bei der Registrierung und Erstellung eines Profils üblichen Daten, die sie selber über sich eingeben hatte, hatte das Unternehmen vieles gespeichert, was es anhand von Big Data Algorithmen während ihrer Nutzung über sie herausgefunden hatte. So fand sie neben ihren Profil- und Kontaktdaten in dem Datensatz auch Informationen über die Altersgruppe der Männer für welche sie sich besonders interessiert, sowie über Chatprotokolle, Fotos aus ihrem gelöschten Instagram Account, Facebook Likes und noch vieles mehr.

Auch der Jurastudent Max Schrem hat einschneidende Erfahrungen zum Thema Datenschutz seiner personenbezogenen Daten gemacht. Auf eine Anfrage zu seinen personenbezogenen Daten hin an Facebook bekam er ein Archiv zugesandt, das aus Daten bestand, die ohnehin auf Facebook zu sehen sind. Damit gab er sich nicht zufrieden und fragte solange bei Facebook an, bis er 1222 Seiten auf einer CD zugesandt bekam. Er musste feststellen, dass dort auch sehr persönliche Mails, die er bereits gelöscht hatte, immer noch enthalten waren. Wenn man ein Foto auf Facebook hochlädt, merkt sich das Social Network auch den Kameratyp und, wenn möglich, den Aufnahmeort. Wegen seiner Erfahrungen reichte Max Schrem Beschwerden beim irischen Datenschutzbeauftragten ein und gründete die Initiative “Europe versus Facebook”. Auf der Website der Initiative hat Max Schrems seine Facebook-Akte geschwärzt veröffentlicht. Redakteure der taz konnten aus den ungeschwärzten Daten, die er ihnen zur Verfügung gestellt hatte, ein detailliertes Bewegungsprofil anhand seiner Logins erstellen.

Doch woher wissen Facebook, Tinder und co. so viel mehr über uns, als wir bewusst preisgeben?

1. Cookies

Mit jedem Webseitenbesuch über einen Websbrowser speichert dieser sogenannte Cookies, also Textinformationen die von einem Webserver an unseren Browser gesendet, oder von einem (Java)Skript auf der jeweiligen Webseite erzeugt werden. Diese legen in unserem Browser Informationen über Einstellungen, Suchen und unser Nutzerverhalten ab. Bei unserem nächsten Besuch auf der Webseite sendet unser Browser diese Informationen wieder an den Webserver bzw die Webseite. So kriegen wir beispielsweise direkt die von uns bevorzugte Sprache angezeigt und im Einzelhandel können wir produkte im Warenkorb des Online-Shops hinterlegen.

Jeder Spaziergang durchs Netz hinterlässt eine verräterische Keksspur.

Anhand dieser persönlichen Daten können Webseiten NutzerInnen wiedererkennen und grundlegendes Besucherverhalten ermitteln, unter anderem auch, wie lange wir auf einer Webseite verweilen, was wir anklicken, oder wo wir einen Nutzer/Kaufprozess abbrechen. Oftmals bleiben diese Datenschnipsel über den Besuch hinaus auf dem eigenen Computer gespeichert und erlauben es so, die Anzahl der Webseiten-Aufrufe auf einem Endgerät zu protokollieren. Besonders sind dabei Cookies, die von Drittanbietern stammen. Diese kommen nicht von den Betreibern der Webseiten selbst, sondern von Werbeanbietern. Sie können über verschiedene Webseiten hinweg funktionieren, indem sie Informationen über die besuchten Webseiten aufzeichnen und es so erlauben, unser Surfverhalten nachzuvollziehen.

2. Referer-Funktion

Doch nicht nur durch Cookies ist Nutzer-Tracking möglich. Auch über die Referer-Funktion von Browsern ist die digitale Reise verfolgbar. Hierbei handelt es sich um eine Funktion, die speichert, welche Seite zuvor besucht wurde. Darüber hinaus legen viele Browser automatisch Chroniken an, in denen die Historie der bereits besuchten Internetseiten abgelegt wird und unter Umständen extern ausgelesen werden können.

Um herauszufinden, welche Daten über Sie vorliegen, können Sie eine Datenauskunft anfordern.

Seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Europa und des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) haben Nutzer es einfacher, von Unternehmen Einsicht in die über sie gespeicherten Daten zu erhalten. Dazu fordern Sie bei den betreffenden Unternehmen, deren Dienste Sie nutzen, eine Auskunft zu Ihren Daten an. Wenn Sie diese digital anfordern, müssen Unternehmen Ihnen die über Sie gespeicherten Daten laut DSGVO auch in einer gängigen digitalen Form aushändigen. Wenn Sie sich einen Überblick darüber verschaffen möchten, welche personenbezogenen Daten Unternehmen der New Economy, bei denen Sie Accounts besitzen, über Sie speichern, dann sind dafür folgende Schritte notwendig:

Nach DSGVO und BDSG sind datenverarbeitende Organisationen dazu verpflichtet, Ihnen auf Ihren Antrag hin eine solche Auskunft binnen eines Monats zu erteilen. So schreibt Paragraph 34 BDSG vor, dass natürliche Personen, also Privatpersonen, ein Recht darauf haben, von datenverarbeitenden Stellen eine Auskunft darüber zu erhalten, welche Daten über sie gespeichert werden. Aber auch darüber, zu welchem Zweck die Daten verarbeitet werden und woher die Daten stammen, muss eine datenverarbeitende Stelle auf ein entsprechendes Ersuchen hin erteilen. Bestimmte staatliche Stellen haben ein berechtigtes Interesse daran, bestimmte personenbezogene Daten über natürliche Personen zu speichern. Ansonsten müssen datenverarbeitende Stellen auf ein entsprechendes Ersuchen einer Privatperson hin jedoch auch die über diese Person gespeicherten Daten löschen. Auch dies wird durch das BDSG geregelt.

Ein Musterschreiben für ein Ersuchen über eine Auskunft zu Ihren personenbezogenen Daten, das Sie leicht anpassen können, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband erstellt: Musterschreiben für Unternehmen

Für ein Ersuchen auf Auskunft bei staatlichen Stellen bietet die Bundesdatenschutzbeauftragte ein ähnliches Musterschreiben inklusive einer Passage zum Widerspruch gegen die Nutzung der Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung: Musterschreiben für staatliche Stellen

Wie also lässt sich die Datenspur im Netz konrollieren und reduzieren?

Die Datenauskunft zeigt Ihnen lediglich auf, welche Daten über Sie vorliegen. Um diese Spur zu reduzieren, empfehlen wir Ihnen folgende gängige Maßnahmen zum Schutz Ihrer Privatsphäre; ob Sie damit nun das nächstgelegene Café suchen, oder den Eintritt ins Darknet, dass bleibt Ihnen überlassen.

1. Die eigene IP-Adresse lässt sich über sogenannte Proxy-Server verbergen. Kommen diese zum Einsatz, wird anstatt der eigenen IP jene des Proxys an die Webseite übertragen. Alternativ sind auch sogenannte VPN Netzwerke geeignet um einen anderen Zugangsort vorzugeben.

2. Auch der Tor Browser kann helfen, Ihre Privatsphäre zu schützen, aber auch gemütlich durchs Darknet zu spazieren. Indem der Browser Ihre Kommunikation über ein verteiltes internationales Netzwerk von Relais steuert, wird der Webseite vorgetäuscht viele verschiedene NutzerInnen würden aus unterschiedlichen Ländern auf sie zugreifen. Gleichzeitig werden die Anfragen und Zugriffe verschlüsselt. Damit wird eine gezielte Überwachung fast unmöglich. Darüberhinaus unterstützen Sie mit der Nutzung des Tor Browsers (besonders dann, wenn Sie ein Relais bereitstellen) unterdrückte Minderheiten: In einigen Ländern sind freie Meinungsäußerung und der Zugang zu freiem Wissen stark eingeschränkt. Der anonyme Zugang ist dann oft die einzige Möglichkeit, die eigene Meinung kundzutun oder sich über westliche Nachrichten zu informieren. Immer mehr Staaten stellen Relais bereit um sogenannte “man-in-the-middle-attacks” auszuführen, also die verschlüsselte Nachricht abzufangen und zu manipulieren, bevor sie an den Empfänger weitergeleitet wird. Je mehr Menschen den Browser nutzen, desto schwieriger wird es für Staaten, eine relevanten Anteil an Relais im Tor-Netzwerk zu stellen.

3. Weiterhin können die gängigen Browser so eingestellt werden, dass Cookies und Chroniken nach jeder Sitzung automatisch mit dem Schließen des Programms gelöscht werden, optional können diese auch über die Einstellungen gelöscht werden (Cookies/Cache leeren). Diese Maßnahme empfielt sich besonders, wenn Sie einen öffentlichen PC verwenden oder sich z.b. einen Arbeitslaptop teilen. Seitens der Webseiten und Anbieter werden die Daten in der Regel aber trotzdem erhoben und behalten — sie werden lediglich von Ihrem Endgerät gelöscht.

4. Ergänzt werden kann dies durch die Funktion „Do-Not-Track“, die ebenfalls in vielen gängigen Webbrowsern bereitsteht. Ist diese aktiviert, erhält die besuchte Webseite zumindest einen Hinweis, dass eine Nachverfolgung nicht erwünscht ist. Diese Maßnahme ist jedoch nur bedingt hilfreich, da jeder gängige Browser eine Art einzigartigen Fingerabdruck hat. Der Grund dafür sind Metadaten, also z.b. Informationen darüber in welcher Auflösung und von welchem Gerät aus sie den Browser bedienen.

5. Als Alternativen zu Suchmaschinen wie Google, Yahoo oder Bing bieten sich Projekte wie Ixquick, Duckduckgo, Quant, oder die Darknetsuchmaschinen Grams und Torch an, die mit dem Anspruch auftreten, keine Datensammlungen anzulegen und teilweise auch Proxy-Funktion oder verschlüsselte Suchanfragen anbieten. Übrigens: Wenn es etwas mehr ‘sozial’ sein darf, dann schauen Sie sich doch mal die Suchmaschine Ecosia an. Das Unternehmen setzt sich für CO2-neutrales Surfen ein und nutzt die Gewinne aus Werbeeinnahmen und Co. um davon Bäume zu pflanzen.

6. Auch für das Smartphone gibt es längst alternative Lösungen. Alles was Sie hierzu benötigen ist der kostenlose Security-Browser Orfox in Kombination mit der ebenfalls kostenfreien App “Orbot”. Wie das funktioniert können Sie in diesem Bericht des Technikmagazins Chip.de nachlesen.

Darüberhinaus lohnt sich auch ein Blick auf die Visualisierungsplattform Visual Capitalist. Hier fnden Sie eine hübsche Schritt-für-Schritt Anleitung darüber wie Sie im Netz ‘unsichtbar’ werden können. Wobei der Begriff ‘unsichtbar’ mit Vorsicht zu genießen ist.

Ich freue mich, Ihre Aufmerksamkeit auf das Thema Datenschutz gelenkt haben zu können und wünsche Ihnen viel Erfolg bei dem künftigen bewussten Umgang mit Ihrer Datenspur.

Verlangen Sie die Datenhoheit über Ihr Leben!

Sie möchten erfahren, welche Möglichkeiten Sie haben sich oder Ihr Unternehmen effektiv zu schützen? Dann sprechen Sie mich an und melden Sie sich für mein Seminar in digitaler Hygiene und digitaler Selbstverteidigung an.

Mit herzlichen Grüßen,

Kim Y. Mühl // Botschafter für sinnvolle und sinnstiftende Digitalisierung

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